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Eine Performance für den Mainzer Landtag
von Bernhard König (Komposition)
und Nancy Seitz-McIntyre (Choreographie)
mit der AG Neue Musik am Leininger Gymnasium Grünstadt
unter Leitung von Silke Egeler-Wittmann
Schüler inszenieren ein experimentelles Musiktheater im Parlament und über das Parlament.
Dies ist die Grundidee eines - in seiner Art einmaligen - Projektes zur kulturellen Öffnung und
Belebung des Landtages.
Unter der Leitung des Kölner Komponisten Bernhard König, zusammen mit
der Choreographin Nancy Seitz-McIntyre von den Mainzer Kammerspielen und
der Musiklehrerin Silke Egeler-Wittmann vom Leininger-Gymnasium in Grünstadt (Pfalz)
haben sich Schülerinnen und Schüler ein halbes Jahr lang künstlerisch mit
parlamentarischen Ritualen auseinandergesetzt.
Die jugendlichen Teilnehmer gehören zur ag neue musik am Leininger-Gymnasium in
Grünstadt, die mit keiner normalen Schul-AG vergleichbar ist.
In den Fachkreisen der Avantgardemusik gilt sie seit vielen Jahren als hoch geschätztes
Ensemble, für das viele namhafte Komponisten Stücke geschrieben haben und das zu
zahlreichen Rundfunk-produktionen und zu Festivals Neuer Musik im In- und Ausland
eingeladen wird.
Im Projekt "Plenarmusik“ gehen zeitgenössische Musik und Tanztheater eine
ungewöhnliche Symbiose mit politischer Bildung ein:
Im Vorfeld haben die beteiligten Schüler eine Parlamentssitzung mit offenen Augen und Ohren verfolgt.
In einem zweiten Schritt entwickelten die Schüler unter professioneller Anleitung eine eigene
Komposition.
Das Ausgangsmaterial dieser Komposition waren nicht Geigenmelodien oder Schlagzeugrhythmen,
sondern all das, was es im Verlauf einer Landtagssitzung zu hören gibt. Natürlich werden diese
akustischen Fundstücke nicht im Original wiedergegeben, sondern musikalisch verfremdet - vom
"Applaus-Quintett" bis zur "Debatten-Arie mit obligatem Zwischenrufer".
Im letzten Schritt wird diese Komposition vor Ort, im Plenarsaal, choreographisch inszeniert werden.
Auch hier sind die Schüler nicht nur Ausführende, sondern werden unmittelbar am kreativen Prozess
beteiligt.
Ausgangspunkt der Choreographie sind Gesten und Bewegunsabläufe aus dem parlamentarischen
Alltag, wie beispielsweise das Spiel mit ortstypischen Requisiten (Drehstühlen, Zeitungen, Aktenordnern,
Telefonen, etc.).
Zur Idee von "Plenarmusik":
Normalerweise richtet sich die Auseinandersetzung mit der Institution "Parlament" eher an inhaltlichen
Fragestellungen aus. Doch Politik besteht nicht nur aus Sachthemen. Ob ein Redner in der
parlamentarischen Debatte überzeugt, ist auch eine Frage der Selbstinszenierung:
Körpersprache, stimmliche Nuancen und persönliche Präsenz spielen eine wichtige Rolle -
letztlich also die gleichen Ausdrucksmittel, die auch im Theater eingesetzt werden.
Dementsprechend ging es bei der künstlerischen Auseinandersetzung vor allem um die äußere
Inszenierung von Politik und um den Blick hinter die Fassaden dieser Inszenierung. Vertraute politische
Rituale wurden von den Schülern mit dem neugierigen Blick eines Ethnologen betrachtet, der die
Gebräuche einer fremden Kultur erforscht. Und es wurden kritische und respektlose Fragen gestellt:
"Warum benutzen Politiker diese komplizierte Sprache?"
"Welche wahren Emotionen verbergen sich hinter dem scheinbar souveränen Auftreten eines
Redners?".
Das Entscheidende an diesem Projekt:
Die Schüler bleiben nicht in der Rolle von passiven Zuhörern, die über das Parlament und seine
Bedeutung belehrt werden. Sondern sie werden selbst in einem kreativen Prozess
tätig, machen den Mund auf:
Mündigkeit statt Hörigkeit.
Statt alle vier Jahre "seine Stimme abzugeben", wird hier die Stimme mit all ihren Ausdrucksmitteln
eingesetzt.
Politik bleibt auf diese Weise keine trockene Materie, sondern wird zu einer höchst lebendigen
Angelegenheit.
Manchmal setzten sich die beteiligten Schüler einfühlsam und nachdenklich mit dem Politikerdasein
auseinander, manchmal riefen die beobachteten Widersprüche bei ihnen Ernüchterung oder gar
Empörung hervor.
Aber eines waren sie ganz gewiss nicht:
"Politikverdrossen".
UP